Ladino : Judäo-Spanisch
Ladino: Judäo-Spanisch
Seit seinem Auftritt auf der Weltbühne durch ehrgeizige Kolonialunternehmen und kluge Thronübernahme dank dynastischer Streitigkeiten ist Spanisch zu einer weltweit angesehenen und gesprochenen Sprache geworden. Dies war jedoch nicht immer der Fall und Spanisch war, ähnlich wie Deutsch, eine Sprache unter vielen anderen, die innerhalb der Iberischen Halbinsel von verschiedenen Völkern benutzt worden waren. Einige davon waren Katalanisch, Galicisch, Baskisch usw. Spanisch stellte nur die Amtssprache des kastilischen Reiches dar, die durch erfolgreiche Politik und zahlreiche Eroberungen in diesem Gebiet die Oberhand gewann. Kastilien, wo heutiges Spanisch gesprochen wird, Aragon, wo heutiges Katalanisch gesprochen wird, und Portugal, wo heutiges Portugiesisch gesprochen wird, zählten zu den stärksten Ländern der Region im Vergleich zu restlichen verhältnismäßig kleineren Fürstentümern. Eigentlich hatten diese Reiche ihre imposante Ausdehnung im Laufe der Rückeroberung, die sich vom 8. Jahrhundert bis zum 15. Jahrhundert erstreckte, erreicht und somit ihre Sprache dessen anderen Untertanen auferlegt.
Die im mittelalterlichen Spanien lebenden Juden, die als Sefarden bezeichnet sind, sprachen außerdem ihren eigenen Dialekt oder ihre eigene Sprache, die ursprünglich aus Altspanisch stammte. Diese Sprache erlaubte es den Einheimischen, sich untereinander zu verständigen und ihre religiöse und traditionelle Begriffe besser auszudrücken. Am Anfang wies diese authentische Sprache einerseits den Einfluss von Spanisch und Hebräisch in gewissem Maße auf, wie malah für Engel (מַלְאָךְ) oder avtaha für Glaube (אַבְטָחָה). Andererseits übte die Arabische Sprache einen erheblichen Einfluss auf deren Vokabular aus, da dieselben Leute unter arabischer Herrschaft von Al-Andalus lange vor der Rückkehr der christlichen Spaniern dort ansässig waren. Überdies beobachtet man einen sichtlich stärkeren und greifbareren Einfluss von Arabisch in der Variante namens Haketia, die meistens in Marokko gesprochen wird. Trotz allem hat sich alles plötzlich und drastisch für sie geändert. Als diese Juden am 31. März 1492 durch das Alhambra-Edikt von den katholischen Königen aus dem spanischen Reich verbannt wurden, hat der osmanische Padischach Bayezid II. sie zu seiner Heimat eingeladen, damit sich die vertriebenen Juden im Osmanischen Reich, genauer gesagt in Istanbul, niederließen, um sich um das Bankgeschäft innerhalb des Reiches zu kümmern. Ihre Verantwortlichkeit war Zinsen und Darlehen, weil es den Muslimischen Untertanen aus religiösen Gründen nicht erlaubt war, irgendein finanzielles Geschäft zu erledigen, das so oder so Zinsen enthielt. Daher sind diese Arbeitsstellen fortwährend während der Geschichte des Osmanischen Reiches an die Juden übertragen worden. Aufgrund der starke Präsenz des Türkischen hat Ladino zunächst zahlreiche Wörter auch aus dem Türkischen entlehnt. Einige Beispiele sind dolashear für spazieren (dolaşmak), zanadjí für Künstler (sanatçı) oder mobtadj für bedürftig (muhtaç). Im Laufe des Niedergangs des Osmanischen Reiches ist also der Einfluss der französischen Sprache ins Spiel gekommen, insbesondere in internationalen Städten wie Thessaloniki, Istanbul und Izmir, denn diese Städte fungierten als kulturelle Zentren.
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Bild von vor der Klagemauer weinenden Osmanischen Juden aus dem 19. Jahrhundert |
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und am Anfang des 20. Jahrhunderts haben die Sefarden, die sich jahrhundertelang in arabische, türkische oder andere Nationen gemischt hatten, eine Zahl von riesigen Migrationswellen ausgelöst, während deren sie fast ausschließlich in die USA und nach Israel eingewandert sind. Diese Migrationswelle hat das gesamte Bild komplett geändert und ihre spanische Sprache, die sie manchmal Djudezmo nannten, hat sich von ausländischen Einflüssen befreit, obwohl die sich in den USA befindenden Sefarden nicht ihre Sprache davon retten konnten, unter dem Einfluss von Englisch zu erleiden, es sei denn, dass sie komplett in Vergessenheit gerieten. Trotz all dieser Ereignisse ist eine Minderheit von Ladino Muttersprachlern gegen vielerlei Rohheiten und Grausamkeiten in ihrer Zuflucht, ihrer neuen Heimat verblieben. Daher kommt Ladino noch in den folgenden Ländern vor: Türkei, Griechenland, Marokko, Tunesien oder Serbien. Diese winzigen Gemeinschaften von Sefarden bewahren ihre Sitten und klammern sich an ihre Traditionen, indem sie Magazine und Zeitungen auf Ladino drucken lassen. Ein anschauliches Beispiel wäre das Satiremagazin namens El Djugeton oder die Webseite von Şalom.
Angesichts der Struktur und des Satzbaus des Judäo-Spanischen ähnelt es stark Kastilisch (Altspanisch) und Asturisch. Aus Sprachwissenschaftlichen Erfahrungen weiß man, dass die aus ihrem Ursprung abzweigende Dialekte dazu neigen, sich langsamer weiterzuentwickeln, als die Hauptbranche dieser Sprache. Es ist also der Fall mit Ladino, der über mehr Gemeinsamkeiten mit Altspanisch verfügt als modernes Spanisch. Aus einer unvoreingenommenen Ansicht ist die Judenspanische Rechtschreibung ganz intuitiv, da es keine unnötige Buchstaben wie stummes H enthält, obwohl es nie eine gleichförmige, einheitliche, von einem zuständigen Sprachinstitut bestimmte Standardsprache gibt. Die Rechtschreibung bleibt regional und variiert bedeutsam je nach Sprachraum, wo es benutzt wird. Außerdem sind die für Ladino gebrauchten Alphabete umso vielfältiger: Hebräisches, Arabisches, Lateinisches. Nebenbei zeigt Ladino auffallende Unterschiede von Spanisch, darunter die Diphthongierung zum Beispiel. Bei Wörtern im Spanischen wie «duerme» beobachtet man eine Lockerung der Aussprache mit den Buchstaben U und E. Deswegen spricht man dasselbe Wort wie «durme» aus. Darüber hinaus mangelt Ladino an Lauten wie dem englischen Zwielaut th oder den spanischen Buchstaben c und z.
Zum Schluss kann man noch auf diese Sprache an verschiedenen Orten stößen oder ihren Muttersprachlern vielerorts begegnen. Zum Beispiel ist Ladino noch auf der Inschrift von bestimmten Holocaust-Denkmälern zu sehen und verbleibende Muttersprachler erhalten ihre Sprache gegen alle aufrecht, unabhängig davon, wo sie sich befinden. Nichtsdestoweniger hindert die wegen der Besatzung von Palästina durch Israel weltweit zunehmende Judenfeindlichkeit heutzutage die mit Juden verbundenen Sprachen daran, eine höhere Anerkennungsstufe zu erreichen. Dazu sollte man es der Welt und insbesondere den Judenfeindlichen beibringen, das Judentum und den Zionismus besser zu unterscheiden. Andere ähnliche Faktoren wie die vorherigen tragen also zum Rückgang der Zahl von Muttersprachlern bei. Auch wenn die Existenz der Sprache in gewissem Maße unter diesen Bedingungen gefährdet ist, gibt es immer Hoffnung dafür, sie anhand von Bewusstseinskampagnen und deren breiteren Umsetzung wiederzubeleben und dieses wertvolle Erbe vom Rande des Aussterbens zu retten. Wir müssen es schaffen, weil wir es wert sind.
Danke fürs Lesen,
Athel.
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